Kauf von Schulmaterial kann Eltern im Emsland überfordern
Gespräch mit der Diakonie
Lingen. An diesem Donnerstag beginnt die Schule wieder - und am Samstag zum ersten Mal für die Erstklässler. Vieles muss vorher bestellt und gekauft werden: für die Jüngsten die neue Schultasche, aber auch Hefte, Stifte, Bücher etc. bei den Älteren. Da kann ganz schnell eine größere Geldsumme zusammen kommen - und einzelne Familien überfordern.
Anne Coßmann-Wübbel, Kirchenkreissozialarbeiterin beim Diakonischen Werk Emsland-Bentheim in Lingen, und ihre Papenburger Kollegin Ulrike Appeldorn kennen diese Familien und helfen im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Auch in diesem Jahr konnten wieder mit Unterstützung der Landeskirche des Diakonischen Werkes in Niedersachsen und dem Kiwanis-Verein Lingen-Meppen Schultaschen angeschafft und an Kinder aus sozial schwächeren Familien im Emsland verteilt werden.
Eine Handvoll Tornister stehen noch in einem Besprechungsraum der Diakonie in der Bögenstraße. Bis zum Einschulungstag am Samstag werden auch diese verteilt sein. Und die Eltern der Kinder froh, diese Ausgaben nicht auch noch stemmen zu müssen. Rund 200 Euro können da schnell zusammenkommen, heißt es im Gespräch bei der Diakonie.
Und dabei bleibt es nicht. Denn auch die zu bestellenden Materialien und Bücher summieren sich. Nicht nur bei der Einschulung, wie Coßmann-Wübbel und Appeldorn erläutern. Auch in den später folgenden Klassen und beim Übergang in die weiterführenden Schulen seien zum Teil erhebliche Anschaffungen notwendig, ob es neben den Schulbüchern Taschenrechner sind oder auch Laptops.
"Kleiner Schritt"
Als einen "kleinen Schritt in die richtige Richtung" bezeichnet Coßmann-Wübbel vor diesem Hintergrund die im sogenannten "Starke-Familien-Gesetz" der Bundesregierung beschlossene Erhöhung der Leistungen für Familien mit kleinem Einkommen. Danach wird das sogenannte Schulstarterpaket von 100 auf 150 Euro pro Schuljahr aufgestockt. Bislang waren dies 100 Euro, verteilt auf 70 im Sommer und 30 im Winter. Darüber hinaus werden Familien mit kleinem Einkommen von den Eigenanteilen für das gemeinschaftliche Mittagessen und der Schülerbeförderung befreit. "Leistung und Talent sollen über ihre Zukunft entscheiden, nicht die soziale Herkunft", beschreibt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales diese "bessere Teilhabechancen von Kindern".
Coßmann-Wübbel und Appeldorn begrüßen diese Maßnahmen, halten sie aber gleichwohl für unzureichend. Vor diesem Hintergrund sprach sich Coßmann-Wübbel für die Wiedereinführung der Lernmittelfreiheit in Niedersachsen aus. Gerade der Kauf der Schulbücher schlage erheblich zu Buche. Wenn dieses Kosten nicht mehr von Eltern getragen werden müssten, wäre das eine spürbare Entlastung. Die Kirchenkreissozialarbeiterin verwies auf andere Bundesländer, wo es diese Lernmittelfreiheit noch gebe. Sie sprach von einer "Chancenungleichheit in Deutschland", was Bildungschancen anbelange.
Wie sich dies konkret auswirkt, beschrieb Ulrike Appeldorn an einem Beispiel. Als Teilnehmerin einer Zeugniskonferenz bekam sie mit, dass ein Schüler sich nach der zehnten Klasse trotz guter Noten, die einen weiteren Schulbesuch mit dem Ziel eines höheren Bildungsabschlusses nahelegten, für eine Ausbildung entschied - auch um Geld zu verdienen. "In einem reichen Land wie Deutschland sollten wir darauf achten, dass Kinder auch gleiche Bildungschancen bekommen", forderte Coßmann-Wübbel.
Quelle: NOZ 14.08.2019 Thomas Pertz