Mutter-Kind-Kur: Ein Jahr Wartezeit auf „Rettungsanker“

Kraft tanken für den Alltag mit Kindern und Familie. Das ist das Ziel von Mutter- oder Vater-Kind-Kuren. Gerade nach den Coronajahren, in denen Schulen und Kitas auch in der Grafschaft Bentheim geschlossen hatten, der Alltag mit vielen Einschränkungen bewältigt werden musste und oft der Job weiter einen großen Teil des Tages einnahm, brauchen Eltern Unterstützung, um mit den vielen Anforderungen fertig werden zu können.

Doch mittlerweile beträgt die Wartezeit für einen Kurplatz mit den Kindern rund ein Jahr. „Durch die Pandemie wurden tausende Maßnahmen in den Kurhäusern abgesagt, die Eltern konnten gar nicht dorthin. Diese Kuren wurden dann nachgeholt – aber gleichzeitig gibt es natürlich weitere Mütter und Väter, die auf ihren Platz warten“, erklärt Dietlinde Hansmann vom evangelisch-reformierten Diakonischen Werk. Sie bildet mit Theresia Wilger vom Caritasverband und Sonja Monsé vom evangelisch-lutherischen Diakonischen Werk das Team der Kurberaterinnen, die im Compass-Diakonie-Haus in Nordhorn für alle ansprechbar sind, die eine Mutter- oder Vater-Kind-Kur machen wollen. Der Bedarf an Beratungen ist mittlerweile wieder auf dem Niveau vor der Pandemie. „2021 hatte für viele noch Vorrang, den eigenen Alltag zu organisieren“, erläutert Sonja Monsé.

„Erschöpft vom Alltag“

„Die Kur ist oft ein Rettungsanker für die Mütter und Väter, die erschöpft sind in ihrem Alltag“, berichtetet Dietlinde Hansmann weiter. Wenn sie von langen Wartezeiten hörten, sei es für manche schwer nachzuvollziehen. Denn es gibt Mutter-Kind-Konstellationen, für die es besonders wenige verfügbare Plätze gibt. „Das betrifft zum Beispiel Eltern mit behinderten Kindern, die in der Kur besondere Betreuung brauchen“, erzählen die Beraterinnen. Dabei wissen die drei auch, dass der Bedarf gerade in diesem Bereich zunimmt.

Aber auch für Mütter mit Babys oder sehr kleinen Kindern sind die Plätze begrenzt, in vielen Fällen beträgt das Mindestalter der Kinder drei Jahre. Maximal dürfen die Kinder bei einer solchen Kur zwölf bis 14 Jahre alt sein. Und schließlich ist es für Elternteile, die mit „nur“ einem Kind zur Kur fahren wollen, auch nicht so leicht, etwas Passendes zu finden. „Viele Wohneinheiten sind für mehrere Kinder ausgelegt und die Häuser bemühen sich, alle Betten zu belegen“, erläutert Theresie Wilger. Und sie betont: „Für die Kurhäuser ist es aber auch schwierig. Sie müssen wirtschaftlich sein und wurden in der Pandemie finanziell gebeutelt.“ Für Außenstehende seien diese Faktoren aber oft nicht nachzuvollziehen, meint Dietlinde Hansmann. „Sie sehen nur ihre lange Wartezeit und dass vielleicht jemand anderes im Bekanntenkreis schneller einen Platz bekommen hat.“

An der Leistungsgrenze und darüber hinaus

„Manchmal müssen sie dann ihrem Ärger Luft machen“, sagt die Kurberaterin verständnisvoll. Denn in vielen Fällen gehe es darum, in der dreiwöchigen Kur ein Erschöpfungssyndrom zu behandeln. „Die Mütter – in der Grafschaft sind es tatsächlich meist die Frauen – gehen immer wieder an ihre Leistungsgrenze und darüber hinaus. Und irgendwann können sie das nicht mehr.“ In der Kur sollen auch Strategien erarbeitet werden, mit denen der Stress zu Hause gemildert werden kann.

„Oft stellen die Eltern auch sehr hohe Ansprüche an sich selbst. Auch viele Mütter arbeiten mittlerweile und kümmern sich um die Familie. Gleichzeitig können viele schlecht zugeben, wenn sie nicht alles schaffen, oder sie haben niemanden, mit dem sie darüber sprechen können,“ sagt Theresia Wilger.

„Begründet im Familienbild“

Generell wichtig, damit eine solche Kur in Frage kommt, ist, dass die Erschöpfung „begründet im Familienbild“ ist – also, dass der Alltag zum Beispiel mit behinderten Kindern, als alleinerziehendes Elternteil, durch die Einschränkungen der Pandemie, durch familiäre Probleme oder verschiedenste andere Faktoren für die Erziehenden nicht mehr zu meistern ist. „Nicht in jedem Fall ist eine Mutter-Kind-Kur das Richtige“, betonen die Beraterinnen. Gerade wenn andere gesundheitliche Probleme dazu kommen, können andere Maßnahmen, wie eine Reha, passender sein. Und: „Die Kinder werden bei einer Mutter-Kind-Kur nicht therapiert“, betont Theresia Wilger. Sie begleiten das Elternteil lediglich.

In ihren Beratungen klären sie deswegen zunächst ab, ob eine Mutter-Kind-Kur das passende ist. Und auch welche Ansprüche die Mutter oder der Vater an die Kur hat, damit die Therapiemöglichkeiten im Kurhaus realistisch eingeschätzt werden können. „Wir gehen auch Musteratteste in den Beratungen durch, damit die Gespräche beim Hausarzt einfacher werden“, erläutern sie weiter. Denn dieser muss die entsprechende Empfehlung für die Kur ausstellen. Mit dem Attest können die Mütter dann wieder ins Compass-Haus kommen. „Wir helfen auch passende Plätze in den Kurhäusern zu finden oder beim Kontakt mit der Krankenkasse, die die Kur bezahlt.“ Sie bieten auch eine Nachsorge an und vermitteln die Eltern zum Beispiel bei Bedarf in weitere Angebote vor Ort. „Uns ist aber jede Rückmeldung der Mütter nach der Kur wichtig“, betonen Sonja Monsé, Dietlinde Hansmann und Theresia Wilger.

Nur wenige Väter

Auf 100 Anträge kommen nach ihren Schätzungen ungefähr fünf bis maximal sieben Väter, die eine Kur machen wollen. Dabei sei das Angebot für sie gleichwertig dem der Mütter, betonen die Beraterinnen. „Es gibt auch Kuren nur für Väter. Und die Häuser achten darauf, dass in den Gruppen sonst immer mindestens fünf Väter sind, damit sie sich austauschen können“, erklären sie. Allerdings sei es für Väter oft schwieriger, eine Kur bewilligt zu bekommen, da die Hauptarbeit der Erziehung in vielen Fällen bei der Mutter liegt.

Wer einen Termin mit dem Kurberaterinnen ausmachen will, erreicht sie folgendermaßen: Sonja Monsé, Telefon 05921 81111-21, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!; Theresia Wilger, Telefon 05921 81111-53, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!; und Dietlinde Hansmann, Telefon 05921 81111-16, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!. Für einen ersten Eindruck bietet das Müttergenesungswerk auf seiner Interseite (www.muettergenesungswerk.de) einen Test, ob ein Kur das Richtige sein könnte.

 

erschienen in Grafschafter Nachrichten 28.11.2022 / Artikel von Carolin Ernst

Bildnachweis: Symbolfoto: dpa/Christin Klose

 

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